Kultur des Teilens - Sharing Economy
Die so genannte Share-Economy, auf Deutsch die Ökonomie des Teilens, ist ein Trend, der vor einigen Jahren aus Städten wie San Francisco und New York nach Berlin übergeschwappt ist und nun ganz Deutschland erobert. Überall ist von Car-Sharing und Couch-Surfing die Rede. Wer teilt, gilt als hip, modern und umweltbewusst. Was einmal in der IT-Branche begann, ist heute zu einem neuen Wirtschaftszweig herangewachsen. „Dieser Mechanismus des Teilens ist volkswirtschaftlich und ökologisch hochinteressant“, sagt der Organisationsforscher Ayad Al-Ani. Schließlich brauche man den Schlagbohrer im Jahr durchschnittlich nur 20 Minuten und auch Autos stünden in der Stadt vor allem auf Parkplätzen.
Was ist „Sharing“ eigentlich?
Entstanden ist der Begriff „Sharing Economy“ eigentlich in den 2000er-Jahren in der IT-Industrie. Dabei ging es zunächst darum, Rechnerkapazitäten zu teilen. Erst später rückten dann auch Gebrauchsgegenstände wie Kleidung, Fahrräder, Autos oder Wohnungen in den Vordergrund. Heute kommen sogar Dienstleistungen dazu. Vor allem sind junge Leute, die über das Internet auf günstige Sachen zurückgreifen. Auf Plattformen wie „Kleiderkreisel“ tauschen sie Röcke und Hosen, in den Ferien verbringen sie einige Tage beim „Couchsurfing“ in den Zimmern fremder Menschen oder sie leihen sich in ihrer Nachbarschaft für ein paar Stunden eine Bohrmaschine aus. Viele werden von dem Wunsch bewegt, knappe Ressourcen zu sparen und ökologischer zu handeln.
Der Boom des Teilens in Deutschland
Unternehmen wollen den Trend natürlich nicht übersehen. Beispielsweise haben Autofirmen das Carsharing als lukratives Geschäftsmodell für sich entdeckt. Der Bundesverband CarSharing spricht von einer neuen „Mobilitätskultur“ und beobachtet ein wachsendes Interesse der Autofahrer in Deutschland. So waren Anfang 2015 bereits rund eine Million Teilnehmer bei den etwa 150 deutschen Carsharing-Anbietern registriert. Bundesweit konnten in 490 Städten und Gemeinden CarSharing-Angebote genutzt werden, das sind 110 mehr als ein Jahr zuvor. Ein weiteres Beispiel ist die 2008 gegründete, global agierende Apartment-Börse Airbnb. Darauf stehen heute über drei Millionen Unterkünfte zur Wahl. Immer Mehr Menschen mieten sich für den Urlaub über die Online-Plattform in Privatwohnungen ein. „Sharing Economy“ hat sich zur „Rental Economy“ entwickelt.
Spürbarer Generationenunterschied zum Thema „Teilen“
Jüngste Untersuchungen des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) haben ergeben: Es gibt bei dem Thema Sharing eine ausgeprägte Differenz der Generationen. Während die jüngere Generation das Teilen für „smart“ und „cool“ hält, verbinden Ältere das Teilen lediglich mit Begriffen wie Wohltätigkeit und Bedürftigkeit. Das liegt daran, dass die Leute der Geburtsjahrgänge 1950 bis 1970 stark von der Individualisierung geprägt ist. Sie sind aufgewachsen im ständigen Streben nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit. Deshalb ist diese Generation vielfach selbstbezogen. Das eigene Haus, die eigene Waschmaschine und das zweite Auto verkörpern Freiheit und Erfolg. Teilen ist aus ihrer Sicht etwas für Leute, die sich nichts Besseres leisten können.
Forderungen nach Arbeitsschutz und Verbraucherschutz
Der Sharing-Markt wächst schnell, aber da ist auch Gegenstimme zu hören. Aus Sicht des Soziologen Harald Welzer bringen kommerzielle Formen des Teilens auch Nachteile. Jede Form von Alltagshandlung werde zu Geld gemacht, warnte Welzer. Er kritisierte außerdem, dass Vermittlungsplattformen für Fahrgelegenheiten und Privatzimmer viel Geld verdienten, während es an Arbeitsschutz und Versicherungen mangele. Da es in der „Sharing Economy“ meistens um private Leistungen oder Gegenstände geht, sind dabei noch häufig rechtliche Fragen unklar, etwa zur Haftung bei Schäden. Das stellt Verbraucherschützer vor Herausforderungen. „Sicherheit ist für Verbraucher ein hohes Gut. Ein Mindestmaß an Verbraucherschutz muss auch in der ,Sharing Economy‘ gelten“, forderte Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. „Die Vermittlungsplattformen sind gefragt, Qualität sicherzustellen und für Transparenz zu sorgen“, so Müller.